Immer schön den Überblick im Kennzahlendschungel behalten
Kennzahlen kommt in einer modernen und auf nachhaltigen Erfolg ausgerichteten Unternehmenssteuerung eine ganz zentrale Rolle zu. Erst wenn möglichst alle Erfolgspotenziale eines Unternehmens transparent dargestellt werden, kann auch aktiv gesteuert werden. Die wichtigste Frage, die sich Finanzdienstleister bei der Auswahl der Kenngrößen stellen sollten, ist: „Welche Kennzahlen werden den Besonderheiten meines Instituts und meines Geschäftsmodells gerecht?“
Eine kennzahlengetriebene Unternehmenssteuerung eines Finanzdienstleisters kann und darf sich nicht nur mit ein paar wenigen finanzspezifischen Kennzahlen, wie etwa dem Expected Loss oder einer Cost-Income-Ratio, zufrieden geben. Ausgehend von der strategischen Ausrichtung – die über allem thront – gilt es, ein möglichst ganzheitliches Set an Kennzahlen für das eigene Institut abzuleiten. Hierdurch kann und soll eine rationale und zukunftsgerichtete Unternehmenssteuerung gefördert werden. Außerdem ist die Planung und Kontrolle der Zielerreichung und damit letztendlich auch des Erfolgs eines Finanzdienstleisters ohne Kennzahlen mittlerweile undenkbar.
Ein moderner Controller ist damit weit mehr als der häufig beschriebene „Erbsenzähler“, der – anhand von Kennzahlen mit einem lediglich statistischen Zweck – nur ein Management mit dem „Rückspiegel“ betreibt. Das Umfeld der meisten Finanzdienstleister ist ähnlich einer kurvigen Straße, bei der plötzliche Wendungen und Richtungsänderungen alltäglich sind. Erst anhand moderner Kennzahlen und sogenannter Key-Performance-Indikatoren können die Managemententscheidungen nicht nur unterstützt, sondern auch aktiv beeinflusst werden. Trotz aller nicht wegzudiskutierenden Vorteile einer umfassenden kennzahlenbasierten Steuerung sollte aber auch noch ein gewisser Spielraum für Bauchentscheidungen der einzelnen Verantwortungsträger und Soft Facts ermöglicht werden.
Der Detaillierungsgrad der ausgewählten Kennzahlen sollte stark am Adressatenkreis und deren Hierarchieebene ausgerichtet werden. So werden in Management-Cockpits, die sich an das Top-Management richten, regelmäßig nur etwa 10 bis 15 Kennzahlen dargestellt. Diese können wiederum durch ein „Drill-Down“ noch tiefgreifender analysiert werden. So kann beispielsweise der erwartete Verlust bei Bedarf noch um die Kenngrößen der Stundungsquote, des Ratingmigrationsindex, des Werthaltigkeitsindex, der durchschnittlichen Verwertungsdauer, des Mahnstufenindex und der Risiko- Überwälzungsquote ergänzt werden. Hierdurch kann das Bild über das potenzielle Schadensfallvolumen ergänzt und abgerundet werden.
In Berichten an die operativen Managementebenen hingegen werden regelmäßig auch die genauen Zusammenhänge und zahlreichen Basisdaten mitberücksichtigt. Im Vertriebsbereich umfasst dies beispielsweise die Anzahl der Besuchstermine, die Besuchstermineffizienz, das Angebotsvolumen und die Angebotskosten, die Folgeabschlussquote, die aktive Vertriebszeit etc.
In der praktischen Umsetzung erweist sich neben einer ausgewogenen Darstellung der Kennzahlen, bei der nicht nur finanzwirtschaftliche Bereiche näher beleuchtet werden, häufig die Beschaffung der Basisdaten als ein wesentliches Problem. Es gilt der Grundsatz, dass man nur steuern kann, was auch messbar ist, sodass klar wird, dass nicht alle Kennzahlen mit einem vergleichbaren Aufwand ermittelbar sind und der zusätzliche Steuerungsnutzen nicht selten in keinem günstigen Verhältnis zum Erhebungsmehraufwand steht.
Außerdem sollte bei aller Euphorie über ein ausgereiftes Kennzahlensystem sichergestellt sein, dass die Kennzahlen empfängerorientiert ausgestaltet sind und damit unternehmerische Entscheidungen fördern. Erst durch diese Entscheidungen und die Integration in die täglichen Abläufe findet eine tatsächliche Wertschöpfung statt und es wird verhindert, dass die Kennzahlen ein „nutzloses Paralleluniversum“ zur operativen Steuerung des Finanzdienstleisters bilden.
Die Datenqualität ist einer der zentralen Bausteine im Controlling und speziell im Berichtswesen eines Finanzdienstleisters. In der Praxis zeigen sich allerdings immer wieder ähnliche Fehlerursachen, die in einer schlechten Datenqualität resultieren, wie beispielsweise:
- Fehlende Integration der unterschiedlichen Datenquellen (viele Medienbrüche, manuelle Anpassungen und Aufbereitungen etc.)
- Irrglaube, dass Data Warehouse alle Reporting-Probleme löst
- Fehlende Aktualität und fehlende Berücksichtigung von unternehmensindividuellen Besonderheiten, speziell bei universellen Ansätzen wie Data Warehouse, Balanced Scorecard etc.
- Berichte sind nicht adressatengerecht und nur schwer verständlich
- Fehlende, aussagekräftige Zusammenfassung und Übersicht
- Berichte fordern nicht zum Handeln auf
- Unterschiedliche Darstellung (Farben, Formen, Skalierungen und Diagramme sowie verwendete Begriffe) von gleichen Sachverhalten
- Falsche Verwendung von Diagrammen
- Schlecht lesbare Texte, Tabellen und Diagramme
- Ausformulierter Prosa-Text
- „Zeigen, was ich weiß“-Syndrom anstatt komprimierter Zusammenfassung
- Form wird über- und Inhalt unterschätzt
- Grafiken lediglich schmückendes Beiwerk statt Unterstützung der Aussagen
- 3D-Diagramme oder andere komplexe Darstellungsformen
Speziell die zahlreichen Details in Berichten führen nicht selten zu einem Information Overload des Adressaten. Die Empfänger haben meistens nur sehr wenig Zeit und können die Fülle an Informationen überhaupt nicht mehr korrekt verarbeiten und der eigentliche Zweck – nämlich die angemessene Information des Lesers – wird nicht erfüllt. Gerade deshalb ist eine komprimierte Zusammenfassung in klarer, einfacher Sprache ein zentraler Erfolgsfaktor. Dies umfasst zudem eine einheitliche Darstellung, etwa in Bezug auf Farben, Formen und Diagramme sowie die verwendeten Begriffe. Für die schnelle Erfassbarkeit der Kernaussagen bietet sich ein Telegrammstil an.
(Christian Glaser verantwortete mehrere Jahre die Bereiche Risikomanagement und Aufsichtsrecht bei der Würth Leasing GmbH & Co. KG)