Impact gesucht!

Welchen Beitrag kann die Immobilienwirtschaft durch „Social Impact Investing“ zu den Lösungen für ökologische und gesellschaftliche Aufgaben beitragen?

Wir erleben gerade eine massive Transformation. Nicht nur die Pandemie, auch grundlegende globale Veränderungen wie der Klimawandel und die wachsende soziale „Schere“ lassen Investitionen mit reinen Shareholder-Renditen, die keinen Beitrag zur Lösung dieser Aufgaben liefern, in einem neuen, kritischen Licht erscheinen. Diesen neuen Fokus nehmen nicht Investoren ein, sondern auch die Entscheider aus Politik und Wirtschaft selbst.

In den vergangenen Jahrzehnten stand in der globalen Ökonomie die Profitmaximierung im Mittelpunkt, es regierte allein der Shareholder Value. Doch nicht nur strengere Gesetze, neue Regulierungen und die „Fridays for Future“- Bewegung erhöhen den Druck auf die Immobilienbranche, einen Beitrag für den Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit zu leisten. Auch der Kapitalmarkt fordert Innovationen.

Die deutsche Immobilienwirtschaft spürt diese Effekte zunehmend, kann diesen aber aktuell noch keine eigenen Antworten, Strategien oder Methodenkonzepte entgegensetzen. Unsere Gesellschaft benötigt aber genau diese langfristig tragfähigen Konzepte, um die natürlichen Ressourcen zu schonen und den Anforderungen eines sozial gerechten Miteinanders gerecht zu werden – und zwar ohne Rendite- und Marktmechanismen als finanzielle Rahmenbedingungen aus dem Blick zu verlieren. Auf diesen umfassenden „mind shift“ ist die deutsche Immobilienwirtschaft kaum vorbereitet. Dabei hat sie einen extrem großen Hebel, um eine klimaneutralere und sozial gerechtere Welt aktiv mitzugestalten.

Wie kann nun „Social Impact Investing“ helfen? Hier hat sich eine neue, innovative Bewegung gegründet, die sich über Haltung, Partizipation und klares Bekenntnis zu Stakeholder Value positioniert und bei Anlageentscheidungen nicht nur die Rendite bewertet, sondern auch die Wirkung, die durch das Investment ausgelöst wird. An den globalen Kapital- und Finanzierungsmärkten gibt es diese Innovation bereits länger und sie etabliert sich zunehmend. Impact Investing spiegelt den Anspruch nachhaltiger Investoren/innen wieder, auch die nicht-finanziellen Wirkungen ihrer Investments zu planen, zu messen und zielgerichtet zu verfolgen. Besonders in den USA und Großbritannien bilden Impact Investments bereits einen wichtigen und stark wachsenden Teil der Immobilienanlagen. Dort haben sich verschiedene Finanzakteure entlang der Wertschöpfungskette auf Immobilien mit Wirkung spezialisiert. Es steht zu erwarten, dass ihr Marktanteil in den nächsten Jahren exponentiell wächst. Und: Impact Investing bedeutet nicht zwangsläufig Renditeverzicht, sondern gibt dem investierten Kapital vor allem eines: Sinn.

In Deutschland hat sich diese Art des Investierens noch nicht etabliert, da die entsprechenden Instrumente fehlten. Das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern. Die Branche soll ermutigt und befähigt werden, wirkungsorientierte Ansätze in ihre Geschäftsmodelle zu implementieren. Das ICG hat hierfür einen Praxisleitfaden erstellt, in dem die Grundzüge und Mechanismen wirkungsorientierter Investitionen erläutert und erstmals auf die Immobilienwirtschaft übertragen werden.

Die weltweit gültigen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bilden dafür die Grundlage, gute Governance und ökologisch wertvolles Handeln werden vorausgesetzt. Anhand von Wirkungsmodellen sowie von konkreten Beispielen wird erläutert, wie die soziale und gesellschaftliche Wirkung von Immobilieninvestitionen von Beginn an mitgedacht, geplant, effektiv erfasst und proaktiv gesteuert werden kann.

Die für diesen Leitfaden gesichteten Publikationen von Forschungseinrichtungen, Fondsgesellschaften und Kapitalmarktexperten lassen nicht nur das mögliche Volumen für den deutschen Markt erahnen, sondern umreißen auch klar, dass Social Impact Investing eine neue Anlagegattung für die Immobilienwirtschaft mit eigenen Mechanismen, Benchmarks und KPIs darstellt. „Wirkungsfaktoren“ und „Wirkungsmessung“ werden als Aufgabenfelder geschildet, mit denen sich nachhaltige Immobilieninvestoren in Zukunft intensiv befassen müssen („Prove and Improve“). Wirkungsorientierung als Anlageklassifizierung wird als übergeordnete Gattungsart charakterisiert, die bereits etablierten Kategorien wie „grün“, „nachhaltig“, „sozial“ oder „ESG-konform“ einschließt. Der Unterschied geradezu ESG-Anlageprodukten ist zum einen der Schwerpunkt auf dem „S“ (Social) und zum anderen der deutlich weitreichendere Ansatz. Bei es ESG-Investitionen geht es um „do no harm“ (man will keinen Schaden an der Umwelt, in der Gesellschaft etc. anrichten). Bei Impact Investments hingegen geht es um die Wirkung auf einzelne Gruppen oder die Gesellschaft als Ganzes.

Für erfolgreiche Social Impact Investing-Projekte ist es im Übrigen notwendig, alle Stakeholder einzubeziehen und Foren für aktive Mitwirkung zu schaffen. „Partizipation“ ist hierbei ein wichtiges Gestaltungsprinzip bei der Zusammenarbeit verschiedener Akteure. Partizipation bedeutet, dass die Menschen ihre Erfahrungen und Wertvorstellungen in die gemeinsame Arbeit einbringen. Nicht immer war diese Form der Teilhabe von unserer Branche gewünscht und nicht immer gelingt dieses Prinzip bei der Entwicklung und Umsetzung von Immobilienprojekten tatsächlich. Inzwischen aber sehen wir, dass der Austausch mit allen Stakeholdern extrem hilfreich ist, wenn es darum geht, die beste, tragfähigste und nachhaltigste Lösung für ein Projekt oder eine Dienstleistung zu finden. Die Immobilienwirtschaft – ganz gleich, ob als Bauträger, Projektentwickler, Betreiber oder Investor – sollte sich als Partner der Städte und Gemeinden verstehen und entsprechend proaktiv Kooperations- und Kommunikationsangebote machen. Zum einen stellt die Immobilienwirtschaft Raum zum Leben, Arbeiten und Erlebnis zur Verfügung. Zum anderen müssen aber viele Faktoren einer vernetzten, zukunftssicheren, resilienten, nachhaltigen und lebenswerten Zukunft miteinander in Einklang gebracht werden. Das funktioniert am besten, wenn Teilhabe und Partizipation sichergestellt sind.       

In anderen Industrien haben sich international anerkannte und bei Investoren akzeptierte Richtlinien und Standards für Impact Investing bereits herausgebildet und durchgesetzt. Sie gewährleisten Orientierung und Vergleichbarkeit solcher Engagements und eigenen sich als ideale Blaupause auch für Immobilieninvestments. Eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Impact Investmentmarktes in Deutschland kommt institutionellen Investoren zu, deren Engagement gezielt gestärkt werden sollte. Allerdings müssen auch die Rahmenbedingungen für Impact Investing in Deutschland auf politischer und regulatorischer Ebene verbessert und die Ausschreibungsbedingungen z.B. in Richtung Konzeptvergaben verändert werden, um mehr Kapital zu mobilisieren.

Autorin: Karin Barthelmes-Wehr, Geschäftsführerin des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft und Vorsitzende der International Ethics Standards Coalition