2024 war ein Rekordjahr für Unternehmensinsolvenzen in Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 16,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der stärkste Anstieg seit fast einem Jahrzehnt. Viele Unternehmen melden ihre Zahlungsunfähigkeit zu spät an. Diese Entwicklung verdeutlicht eindrücklich, wie wichtig es ist, wirtschaftliche Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und strukturiert zu handeln, bevor es zu spät ist.
Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hat der deutsche Gesetzgeber bereits zum 1. Januar 2021 einen präventiven Rechtsrahmen geschaffen, um Unternehmenskrisen frühzeitig und strukturiert zu bewältigen, noch vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Doch auch nach über vier Jahren seit Inkrafttreten zeigt sich: Viele Unternehmen und insbesondere deren Geschäftsleitungen setzen die damit verbundenen Pflichten, allen voran die Verpflichtung zur Krisenfrüherkennung, noch immer nicht konsequent um.
Was regelt das StaRUG insgesamt?
- Restrukturierungsplan
- Gerichtliche Planbestätigung und Vollstreckungssperren
- Stabilisierungsinstrumente: u.a. Vollstreckungs- und Verwertungssperren
- Strukturierte Gläubigerbeteiligung
Was als Chance zur Stabilisierung und zur Wahrung unternehmerischer Handlungsfähigkeit gedacht ist, wird in der Praxis bislang zu selten genutzt. Dabei enthält das StaRUG nicht nur Handlungsmöglichkeiten, sondern auch verbindliche Pflichten für die Geschäftsleitung.
§ 1 StaRUG: Früherkennungspflicht mit Haftungsfolge
§1 Abs. 1 StaRUG verpflichtet die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person dazu, fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, welche den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können. Bei erkennbaren Risiken müssen geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen und die zuständigen Überwachungsorgane unverzüglich unterrichtet werden.
Das bedeutet konkret:
- Krisenfrüherkennung ist Pflicht; nicht optional.
- Kontinuierliches Monitoring ist erforderlich: Geschäftsleiter müssen Prozesse und Systeme etablieren, mit denen Risiken rechtzeitig erkannt werden können.
- Handlungspflicht bei Krisensignalen: Untätigkeit oder verspätete Reaktion kann zu persönlicher Haftung führen (§§ 43 GmbHG, 93 AktG).
Was heißt das in der Praxis?
Ein einmal jährlich erstellter Liquiditätsplan allein erfüllt die gesetzlichen Anforderungen an ein wirksames Krisenfrüherkennungssystem nicht. Erforderlich ist ein strukturiertes, dauerhaft implementiertes Frühwarnsystem, das Risiken im Geschäftsverlauf kontinuierlich identifiziert, bewertet und adressiert. Damit wird Krisenmanagement zur dauerhaften Leitungsaufgabe, nicht erst, wenn die Insolvenz droht.
Relevanz auf für KMU
Auch wenn das StaRUG häufig mit großen Unternehmen in Verbindung gebracht wird: Die Früherkennungspflicht nach § 1 StaRUG gilt für alle haftungsbeschränkten Gesellschaften, also auch für kleine und mittlere Unternehmen und das bereits vor einem Krisenzustand.
Besonders hier fehlt es oft an strukturierten Prozessen zur Risikoüberwachung. Doch die Berufung auf Unkenntnis einer drohenden Krise ist keine tragfähige Verteidigung mehr, wenn sich zeigt, dass es keine ausreichenden internen Strukturen zur Früherkennung gab.
Fazit: Verantwortung beginnt vor der Krise
§ 1 StaRUG etabliert eine haftungsbewehrte Pflicht zur Krisenfrüherkennung, die längst Teil einer ordnungsgemäßen Geschäftsleitung sein sollte, aber oft noch unzureichend oder nicht umgesetzt wird. Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmen sind dringend gefordert, interne Strukturen zur Risikoüberwachung aufzubauen, laufend zu überprüfen und zu dokumentieren. Spätestens im Krisenfall stellt sich nicht mehr die Frage, ob es eine Pflicht gab, sondern ob sie nachweislich erfüllt wurde.
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Autor: Maxi-Mercedes Jahn, Consultant ESG-Compliance, Creditreform Compliance Services GmbH