Nachhaltigkeit ist schon lange kein Randthema mehr, sondern entwickelt sich immer mehr zu einem zentralen Risikofaktor im Finanz- und Unternehmenskontext. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die jüngsten Schwerpunkte der Finanzaufsicht ansieht. So hat die BaFin Nachhaltigkeit und Greenwashing in ihre „Fokusrisiken 2025“ aufgenommen und damit ein starkes Signal gesetzt, dass es sich hierbei nicht um weiche Themen handelt, sondern um potenzielle Treiber für finanzielle und operationelle Risiken.
Greenwashing als systemisches Risiko
Noch immer neigen viele Unternehmen dazu, Nachhaltigkeit vor allem kommunikativ zu nutzen. Vage Formulierungen in Produktunterlagen, unklare Bezugnahmen auf ESG-Ratings oder intransparente Angaben in der Kapitalmarktkommunikation bergen allerdings erhebliche Gefahren. Die BaFin weist darauf hin, dass solche Praktiken nicht nur das Vertrauen der Anleger untergraben, sondern auch das Potenzial haben, die Stabilität des Finanzmarktes zu beeinträchtigen. Entscheidend ist daher, Nachhaltigkeit nicht als Marketinginstrument, sondern als ernsthaften Bestandteil des Risikomanagements zu verankern.
Physische und regulatorische Risiken ernst nehmen
Neben der Gefahr, durch irreführende Nachhaltigkeitsdarstellungen in den Verdacht des Greenwashings zu geraten, müssen Unternehmen auch die klassischen Nachhaltigkeitsrisiken im Blick behalten. Physische Risiken, etwa durch Extremwetterereignisse und Übergangsrisiken im Zuge neuer regulatorischer Anforderungen (zum Beispiel CSRD, SFDR, EU-Taxonomie), können unmittelbare Auswirkungen auf Geschäftsmodelle, Finanzierungskonditionen und Bewertungen haben. Wer diese Aspekte nicht systematisch in seine Risikosteuerung integriert, läuft Gefahr, regulatorisch und wirtschaftlich ins Hintertreffen zu geraten.
Datenqualität als Schlüsselfaktor
Ein zentrales Problem bleibt die Datenlage. Nachhaltigkeitsinformationen sind häufig nicht vergleichbar, Ratings unterschiedlicher Anbieter beruhen auf unterschiedlichen Kriterien und die Informationsflut macht es Investoren wie auch Unternehmen schwer, belastbare Schlüsse zu ziehen. Umso wichtiger ist es, eine verlässliche interne Datenbasis aufzubauen und externe Informationen kritisch einzuordnen. Nur so lassen sich Risiken angemessen bewerten und Offenlegungsanforderungen solide erfüllen. Hierbei hilft ein strukturiertes IT-Target Operating Model.
Fazit
Die Botschaft ist klar: Nachhaltigkeitsrisiken werden von der Aufsicht zunehmend auch als Kernrisiken betrachtet. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie ihre Prozesse, Offenlegungen und Steuerungsinstrumente so ausrichten müssen, dass sie nicht nur regulatorische Mindeststandards einhalten, sondern auch aktiv Vertrauen schaffen. Greenwashing ist dabei nicht nur ein Reputationsproblem, sondern kann auch handfeste finanzielle und aufsichtsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Julian Piroué
Senior Consultant ESG-Compliance, Creditreform Compliance Services GmbH