Am 22.04.2020 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den offiziellen Referentenentwurf zum „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft (Verbandssanktionengesetz – VerSanG)“. Bereits hier gab es die erste Änderung, denn die bisherige Bezeichnung „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ wurde verworfen und durch die Bezeichnung „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ ersetzt. Eine weitere Änderung von Bezeichnungen durchlief die „Verbandsstraftat“. Dieser Begriff wurde durch die „Verbandstat“ ersetzt. Beide Änderungen der Begrifflichkeiten ziehen keine inhaltlichen Änderungen nach sich, zeigen jedoch einen durchaus milderen Ton, den auch die nachfolgenden Änderungen weiter unterstreichen.
So wurde darüber hinaus der Anwendungsbereich des Gesetzes beschränkt. Gemäß § 1 VerSanG-RefE sind nur noch Verbände mit einem wirtschaftlichen Zweck vom Anwendungsbereich erfasst. Gemeinnützige Organisationen und Unternehmen, die hoheitliche Aufgaben erfüllen, sind demnach vom Anwendungsbereich des VerSanG ausgeschlossen und unterfallen lediglich weiterhin dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Auch dies stellt eine „Milderung“ im Vergleich zum „inoffiziellen“ Entwurf aus August 2019 dar. Genau diese Änderung wirft eine ketzerische Frage auf: Sollten nicht gerade gemeinnützige und öffentliche Unternehmen besonderen Wert auf Compliance legen?
Des Weiteren wurde die ultima ratio der Verbandsauflösung aus dem Repertoire der Sanktions-möglichkeiten gestrichen. Es verbleibt die sog. Verbandsgeldsanktion, die pauschal oder in Abhängigkeit vom Umsatz festgelegt wird und sich zudem auch auf den Konzernumsatz beziehen kann.
Auf der anderen Seite „soll“ das Gericht nun im Fall einer zu verhandelnden Verbandstat von der Möglichkeit der Milderung der Sanktionen Gebrauch machen, wenn die Voraussetzungen wie bspw. eine ununterbrochene und uneingeschränkte Zusammenarbeit des beschuldigten Verbandes mit den ermittelnden Behörden gewährleistet wird. Bislang „konnte“ das Gericht nach eigenem Ermessen von der Milderungsoption Gebrauch machen.
Nichts desto trotz kritisieren bspw. sowohl die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), als auch das Deutsche Institut für Compliance (DICO) in vielen Teilen die Schärfe des Referentenentwurfs. So wird u.a. die schuldunabhängige Konzernhaftung aus § 9 Abs. 2 VerSanG-RefE kritisiert. Außerdem ginge die Definition der Verbandstat als eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte […] zu weit – eine Orientierung am Begriff der Wirtschaftskriminalität sei sinnvoller und verhältnismäßiger. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass erst in der Gesetzesbegründung Rolle und Wirkung von Compliance-Management-Systemen mit Blick auf Verbandstaten dargestellt werden. Eine konkrete Benennung als Präventionsmechanismus im Referententwurf blieb jedoch aus.
Sicherlich werden noch weitere Verbände zum aktuellen Referentenentwurf Stellung nehmen. Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts würde eine große Veränderung der Deutschen Rechtskultur herbeiführen und sollte daher natürlich stark diskutiert und
Chancen und Risiken gegeneinander abgewogen werden. Eine Verfolgung der Stellungnahmen, Positionen und des weiteren Gesetzgebungsverfahrens lohnt sich in jedem Fall!
(Carina Bühne, Senior Consultant Compliance & AML, Creditreform Compliance Services GmbH)