Anno 2021… Shortsqueeze bei GameStop – Was ist ein Jahr später übriggeblieben?

Ende Januar 2021 erreichte die Bewegung um Memestocks und die Popularität des Reddit-Forums WallStreetBets ihren vorläufigen Höhepunkt mit dem legendären GameStop-Shortsqueeze, der sogar ein Jahr später verfilmt wurde. Eine Kursexplosion manövrierte etablierte Hedgefonds, wie etwa Melvin Capital, ins Aus, nachdem diese ungedeckten Leerverkäufe getätigt hatten und völlig unerwartet den Gegenwind der WSB-Community zu spüren bekamen. So zumindest die Legende… Doch im Nachgang wurde klar, dass es nicht nur die David-gegen-Goliath-Story war, sondern auch Schwergewichte wie BlackRock in nicht unerheblichem Maße vom „The Big Squeeze“ – der mittlerweile sogar verfilmt wurde – profitierten. Allein BlackRock verbuchte knapp 3 Mrd. USD an Gewinn!

Auch gut ein Jahr nach dem (vermeintlichen) Shortsqueeze ist bei GameStop weiterhin Musik drin – zumindest für die Optimisten. Die Aktie weist immer noch eine hohe Volatilität aus und hat vor ein paar Tagen insbesondere infolge der Ankündigung, dass eine NFT-Plattform geplant und Kooperationen folgen sollen, den Aktienkurs im nachbörslichen Handel um rund 32 Prozent nach oben getrieben. Seit dem Run auf 150 EUR, büßte die Aktie knapp 50% wieder ein und bewegt sich rund um die 80-EUR-Marke.

Was ist seitdem passiert und welche Erkenntnisse lassen sich für das Risikomanagement ableiten?

Aktueller Status: Diamond Hands oder vergeudete Liebesmühe?

Die Entwicklungen rund um GameStop und WallStreetBets (WSB) wurden häufig stark verkürzt dargestellt und es blieben einige Fragen offen. Dies scheint auch ein Grund dafür zu sein, warum bis heute bei einigen Investoren noch weiterhin die Hoffnung flackert, durch ihre „Diamond Hands“ reich zu werden. Es wird dabei immer wieder aufgeführt, dass immer noch nicht geklärt ist:

  • Wer profitierte vom Kaufverbot von GameStop/AMC, als viele Neobroker einfach den Kaufbutton in ihren Apps entfernten?
  • Ist es Marktmanipulation, wenn auf WSB (oder vergleichbaren Plattformen) konzertierte Aktionen verabredet werden bzw. wo ist der Unterschied zu den „klassischen“ Börsenbriefen/institutionellen Aktienempfehlungen?
  • Worauf war der Shortsqueeze letztendlich zurückzuführen – die Aktionen der WSB-Community oder doch eher institutioneller High-Roller im Hintergrund?
  • Haben die Shortseller wirklich im Januar 2021 ihre Shortpositionen geschlossen, als der Short Interest von 120% auf 20% gefallen war (Figure 5)?
  • Sind Meme-Aktien eine Gefahr für die Finanzstabilität – oder doch eher die Geschäfte von Shortsellern mit ungedeckten, sogenannten Naked Shorts?

Vollumfänglich aufgearbeitet wurden die Entwicklungen von den Aufsichtsbehörden nicht und deshalb stehen sich die beiden Lager bei der Beantwortung der offenen Fragen auch vielfach konträr gegenüber. Die Optimisten sehen sich zudem durch die dauernd negative Berichterstattung, seitens Jim Cramer auf CNBC oder anderen Finanzmedien, bestätigt und sind fest entschlossen ihre Aktien zu halten.

Die fehlende ganzheitliche Aufarbeitung durch eine unabhängige Instanz dürfte wohl auch einer der Gründe sein, warum (zumindest gefühlt) „normale“ unternehmerische Entscheidungen und Ankündigungen bei GameStop und anderen Meme-Aktien wie AMC etc. sehr schnell mit größten Fantasien verbunden sind. GameStop scheint diese Fantasien aber auch gezielt zu bespielen, etwa indem eine NFT-Plattform geplant und Kooperationen angekündigt wurden. Dies führte vor einer Woche dazu, dass der Aktienkurs um rund 15 Prozent nach oben schoss.

Rund um die Non-Fungible Tokens (NFTs) hat sich ein weiterer hochriskanter Hype entwickelt. Sehr ähnlich zur Situation während des Shortsqueezes bei GameStop! Die Pressemitteilungen ähneln sich frappierend:

  • „Der Hype um NFT und wie du damit reich werden kannst“ (Galileo vom 08.12.2021) vs. „Über Nacht Millionäre: Diese Gamestop-Zocker haben rechtzeitig verkauft und sind reich“ (Focus vom 19.02.2021)
  • „300.000 Euro für digitale Walbilder: Zwölfjähriger nimmt Kunstsammler aus“ (Stern vom 28.08.2021) vs. „Kleiner Anleger mit großem Gewinn: Zehnjähriger profitiert vom GameStop-Hype“ (Yahoo!Finanzen vom 29.01.2021).

Billiges Zentralbankgeld als Nährboden für Blasen

Der weiterhin nahezu ungezügelte Zustrom an Liquidität in der Euro-Zone, aber auch in den USA, sorgt dafür, dass sich gefährliche Finanzblasen bilden. Davor warnen viele Ökonomen seit Jahren. Und dies betrifft eben nicht nur den Immobilienmarkt, sondern auch zahlreiche andere Bereiche wie etwa den Aktienmarkt oder den Kryptomarkt, der einen unglaublichen Zustrom an Liquidität erlebt hat. Die Corona-Delle vom März 2020 ist längst ausgemerzt und die großen Unternehmen schreiben Rekordgewinne – trotz Kurzarbeit und Lieferengpässen – , während die schwächelnden Unternehmen sich mittels Staatshilfen und billigen Krediten weiterhin über Wasser halten können. Doch ist ein solches Sterben auf Zeit von beispielsweise veralteten Geschäftsmodellen gut für eine Volkswirtschaft oder wäre ein Ende mit Schrecken nicht günstiger als ein Schrecken ohne Ende?

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, warnte Mitte letzten Jahres davor, dass eine Rezession infolge des Platzens einer Finanzmarktblase deutlich tiefer verläuft als ohne eine solche Blase. Solange sich die EZB nicht dafür entscheidet, den eingeschlagenen Kurs des ultralockeren Zentralbankgelds zu ändern, erhöht sie die latente Gefahr einer Finanzblasenbildung.

Interessant ist dabei, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) herausgefunden hat, dass die Zyklen an den Finanzmärkten wesentlich träger sind als Konjunkturzyklen. So ist nach ihren Berechnungen ein Finanzzyklus mit 15 bis 20 Jahren zwei- bis dreimal so lang wie ein Konjunkturzyklus.

Sun Tzu als Verfechter von Stresstests?!

Der vielfach zitierte chinesische General und Philosoph Sun Tzu hätte wohl seine wahre Freude mit Stresstests gehabt. Denn er stellte etwa 500 v. Chr. in seinem Buch „Die Kunst des Krieges“ fest:

„Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“

Die Basis guter strategischer Entscheidungen, für die die Stresstests ein wichtiges Tool darstellen können, ist ein profundes Verständnis des eigenen Geschäfts, des Wettbewerbsumfelds und der (voraussichtlichen) zukünftigen Entwicklungen mit samt der Chancen und Gefahren.

Viele alteingesessene Unternehmen sind immer noch der Meinung, dass ihr Geschäftsmodell in den nächsten Jahrzehnten gleichbleiben muss und sich die Änderungen nur an der Oberfläche, zum Beispiel in Form einer ansprechenden Homepage, abspielen. Dies ist allerdings ein gewaltiger Trugschluss. Dies Digitalisierung wirkt sich als Katalysator für neue Geschäftsmodelle aus! GameStop will unter der Führung von Ryan Cohen die digitale Transformation weg vom Brick-and-Mortar-Geschäftsmodell hin zu NFTs und dem „Amazon des Gamings“ schaffen.

Dies bedeutet aber auch, dass neue Wettbewerber dazukommen. Versuchen Sie deshalb, aus dem Blickwinkel eines möglichen neuen Wettbewerbers radikal neu zu denken – kurzum: eine disruptive Transformation Ihres Marktes hervorzurufen!

Neben neuen Technologien kann auch der Einstieg von branchenfremden Playern zu einem „Gamechanger“ werden. Was wäre beispielsweise, wenn Amazon oder Apple in das Bankenumfeld einsteigen? Bräuchte der Kunde dann noch eine Hausbank oder gilt dann das alte Bill Gates-Zitat „Banking is essential, banks are not“? Was passiert, wenn Facebook mit seiner Digitalwährung Diem durchstartet oder wenn Alibaba und Tencent/Whatsapp auch den europäischen Markt erschließen? Oder wenn der E-Yuan im Zuge der olympischen Spiele und der neuen Seidenstraße zum Exportschlager wird?

Hinweis: Dieser Beitrag spiegelt die persönliche Meinung der Autoren wider und ist auch nicht als Anlageempfehlung zu verstehen!

Autoren:

Dr. Christian Glaser ist promovierter Risikomanager und als Generalbevollmächtigter der Würth Leasing GmbH & Co. KG tätig. Er ist außerdem Dozent an mehreren Hochschulen und Buchautor mehrerer Fachbücher sowie zahlreicher Fachveröffentlichungen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Unternehmensführung und Management, Controlling sowie Risikomanagement.

Max Meußer ist Student an der Hochschule der Deutschen Bundesbank und verfolgt seit über 2 Jahren die Aktivitäten im Zusammenhang mit WallStreetBets und Gamestop.